Die Alten und die Jungen
Nieder Bayern von Florian Fiedler inszeniert im Münchner Volkstheater

Was ist Bayern? Sieben debile Deppen, die sich aufstellen und die Bayernhymne singen. Jawohl. Daraufhin radelt ein Mädchen über die Bühne, um festzustellen „Hm, groß.“ Viel Raum, mit dem es da was anzufangen gilt und leicht fällt es Regisseur Florian Fiedler nicht, offensichtlich am Bühnenbild: Eine Bierhalle mit allem: Bierzeltgarnitur, Klos, Bierdurchreiche und so weiter, ungemütlich. Das macht es ihm leicht, die Erwartungen anfangs niedrig zu halten und dann damit zu begeistern, was er daraus macht. Auf der Bühne ist noch Platz für eine Guckkastenbühne, der Fernseher hängt phantastisch weit oben, die Seitenwand aus Mineralwasserkästen kann einstürzen und als Trümmerfeld Platz für Neubauten bieten, an den soliden Wänden gehen Platten ab und Leute gehen raus zur Jagd, der Boden lässt sich öffnen und macht Platz für die Toten. Schön, wenn einer merkt woran er arbeiten muss und dann auch tut in einem Stück, in dem die Figuren gern darüber reden, dass sie keine Arbeit haben.
Das Stück ist überhaupt auch so ein zu füllender Textraum. Abram, von dem es heißt, er sei schwul, kommt zurück ins Dorf, dort wartet Tonka, die er letzten Fasching geschwängert hat, wahrscheinlich im Suff, denn man säuft Bier - Bayern. Der versammelten und stark dezimierten Dorfgesellschaft missfällt es und alles endet in Desaster und Blut. Moralvorstellungen von vor 40 Jahren klingen so aufregend wie Fahrräder, die in China umstürzen, heute. Aber auch hier fällt Florian Fiedler auf und ein, worum es eigentlich geht: die Probleme, die die Alten mit den Jungen haben. Die Mutter Abrams wünscht sich ihn oder sich selbst weit fort, weil er so „abartige Sachen“ macht, die andere Mutter, die Maria schämt sich für ihren behinderten Sohn, weil er so viel Geld kostet und im Heim oder tot besser aufgehoben wäre und Abram ahnt, was auf ihn zukommt, wenn er der schwangeren Tonka zuruft: „Du kannst doch kein Kind von mir in die Welt setzen.“ Witzig auch, dass die ganze Inszenierung von einem solchen Konflikt umrahmt wird, denn die alte Witwe Martin Sperrs sagt, dass das, was der junge Regisseur aus dem Material ihres Mannesgemacht habe, nichts mehr damit zu tun habe und dass deswegen der gemeinsame Namen herausgehalten werden müsse. Die Jugend gibt nach und macht hervorragendes, spannendes Theater, sehr zeitgemäß, so dass wir laut sagen müssen: „Wir fordern Generationenkonflikte!“
 

Willibald Spatz

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