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Mamootot von der Batsheva Dance Company

Die Fröhlichkeit. Sie kann einen hochheben, aussaugen und wie einen Sack Sand zur Erde speien. Wenn sie von einem verlangt wird. Wenn sie durchgehalten werden muss als politisches Signal, das beweist, dass man stärker ist als die Umstände, dass man auf sie spuckt, dass eine Bombe einen zwar zerreißen, niemals aber brechen kann. Ein Mädchen trägt ihre Ausgelassenheit auf ihren Schultern zur Schau, bewegt sich solange mit ihr, bis sie niedergedrückt wird und auf dem Boden zum Liegen kommt. Dann setzt die Musik ein, laut, tobt über dem ruhenden Körper.
Das ist der Einstieg in Mamootot, der beim Dance 2004 gastierenden Produktion der Batsheva Dance Company aus Israel. Es ist eine Performance, die unmissverständlich vom Publikum Stellungnahme fordert. Dieses sitzt um die Bühne, der ganze Raum ist während der gesamten Zeit gleichmäßig und hell ausgeleuchtet. Keine Verstecke im Dunkel hinter dem Vordermann, keine Möglichkeit, sich vor den Blicken der anderen zu drücken. Auch das Ensemble nimmt Platz auf Stühlen der ersten Reihe, gliedert sich ein in Pausen-Passagen. Doch es kommt nicht zur Verbrüderung mit den Zuschauern, dürfen die Tänzer doch die Fläche in der Mitte nutzen, sie betreten, um sich Ausdruck und Luft zu verschaffen. Sie tanzen, mal jeder allein im Stillen, körperfokussierten Privaten. Und dann mit tosender Musik, kollektiv den Schmerz verbergend. Sie sind in Erdfarben gestrichen und gekleidet, sie demonstrieren damit Fremdheit und Eingedrungenheit und die Sehnsucht nach einer archaischen Zeit, in der man noch den Grund der Feindseligkeit unter den Menschen noch erkennen und beheben konnte und sie nicht wie jetzt als gegeben hinnehmen muss. Sie sind Geister, sie sind ausgestorben wie die Mammuts, die ihnen den Titel gaben.
Schließlich kommt der Blick ins Publikum, sie gehen im Kreis, solange bis jeder jedem ins Auge gesehen hat. Die Hände folgen, werden einzelnen entgegengestreckt, die sie zwar ergreifen, aber nichts damit anfangen können. Ein am eigenen Leib erfahrener Beweis der Fremdheit, die wie eine Krankheit immer mehr von allen ausmacht.
Mamootot ist politisches, manchmal verstörendes und nicht immer leicht zu dechiffrierendes Tanztheater. Die Akteure bewegen sich auf hohem Niveau und meist nah an der Perfektion. Es funktioniert herausgelöst aus jeglichem kulturellen Kontext als ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit. Der Anspruch, eine politische Botschaft in Tanz umzusetzen, legt einen dramaturgischen Rahmen, eine solide Versicherung des Unternehmens gegen den Absturz in die Beliebigkeit. Unangenehm nur der Gedanke an den gesellschaftlichen Boden, aus dem das wachsen musste.

Willibald Spatz
6. November 2004

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