Musikantengipfel

Der vermutlich langhaarige Musikant Paddy Moloney von der irischen Folklegende „The Chieftains“ rät Politikern aller Länder ihre Treffen gelegentlich zu unterbrechen, um gemeinsam zu musizieren, das vereinige Menschen rund um die Welt. Er sagt das nicht im Spaß, damit er dann über Jelzin zum Beispiel witzeln kann „Er küsst hervorragend, aber er spielt ganz schauderhaft die Flöte“, nein, er meint das ernst. Warum? Neid. Er hat wahrscheinlich seine Schule abgebrochen, ist mit billigen Tanzorchestern durch die Welt getingelt und blickt jetzt eifersüchtig auf das glamouröse Leben von Spitzenpolitikern, so einer hätte eventuell auch in ihm gesteckt, wenn er zur rechten Zeit am rechten Ort richtig entschieden hätte.
Die ganze Lächerlichkeit dieses Vorschlags offenbart sich nicht in der Vorstellung Klaus Meines auf dem Kanzlerthron und Wolfgang Niedekens am Familienministertisch oder von Gerhard Schröders Rauswurf aus der Regierungsband, weil er so erbärmlich singt, sondern in seiner Umkehrung: zwänge man Paddy Moloney in den Probenpausen zu Diskussionen über Steuerreformen statt Zigaretten zu rauchen oder schlüge man ihm vor, auf Konzerten statt die Lieder anzusagen zwischendurch politische Statements abzulassen oder statt über die blauen Augen seiner Frau die Arbeitslosenquoten zu singen, so müsste jeder zugeben, dass die eine mit der anderen Sache nicht zwangsläufig zu tun hat.
Muss nicht, kann aber. Man denke nur an politische Äußerungen in Liedtexten in den 70er und 80er Jahren: „Deutschland verrecke, damit wir leben können“ oder „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ So was versteht jeder, weil’s gesungen ist. Vorschlag zur Güte: Man kann es mal ausprobieren, einen Tag, Montag zum Beispiel, da sind wenig Konzerte.
 

Willibald Spatz
14. November 2003

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