Noch eine neue Heimat
Sparifankal - DAHOAM IS WO ANDAS

Rubrik: Abschiedsbriefe zum Verlieben. "Es is ma wuaschd mid wem du seglsd / es is ma wuaschd mid wem du feglsd / blos um des oane bitt i di / wane hi bin deng an mi." Das Gegenteil einer großen Erkenntnis: Auf einer Platte mit zehn Stücken singt der Sänger in zehn verschiedenen Stimmen zehn Texte in zehn verschiedenen Rollen. Die jüngste CD der Band Sparifankal DAHOAM IS WO ANDAS ist eine Art Bestandsaufnahme bayerischer Befindlichkeiten ohne den leisesten Anspruch auf Vollständigkeit. "Und nacha gibds no a boa Weiwa / bigott und beis und bled / foa dene laf i aa dafo / weilama sunsd wiakli nimma schded." Das ist einer der Gründe eines wahrscheinlich jüngeren Mannes, sein Heimatdorf zu verlassen und nach München, dem großen Manhattan, zu gehen.
Die mittlerweile nicht mehr ganz jungen Herren von Sparifankal fanden in Originalbesetzung, die sie bis auf zwei Personalzugänge auch für ihr Neuwerk beanspruchen, im Jahre 1972 zueinander. Sie brachten es bis 1981 auf drei Veröffentlichungen, durch die ein archaischer, wilder, linker, fassbinderscher Wind weht. Irgendwie bajuwarisch und zünftig und doch intellektuell und rebellisch. Eine neue, selbstbewusste Volksmusik, verrootet im Blues und Krautrock dieser Zeit, die man als zu spät Geborener ohne Zögern mitgemacht, sich dafür sogar mit Indianerramsch vollgehängt hätte. Und dann war es auf einmal rum. Die Zeit und mit ihr auch die Band.
Jetzt plötzlich soll alles wieder so sein wie früher. Man fragt sich sicher zurecht, ob so viel Tümelei und Nostalgie in der Wiege des einundzwanzigsten Jahrhunderts noch erträglich ist. In der Selbstauskunft wird erklärt, dass Sparifankal ein Dialektausdruck für einen kleinen Teufel sei und der Preuße, der das mit Spanferkel verwechsle, spätestens beim Hineinbeißen seinen Irrtum bemerken werde, indem nämlich dass der Miniatur-Mephisto zurückbeiße. Das Hören von DAHOAM IS WO ANDAS hat also so oder so etwas Masochistisches.
Wovon kann Blues in Bayern handeln, ohne läppisch zu sein? Der Textverantwortliche Carl-Ludwig Reichert, der manchen Hörern bekannt ist als Radiostimme von Bayern 2, gibt eine der anschaulichsten Schilderungen der Apokalypse außerhalb des Buchs der Bücher in KLAUBAUF ab: "Wans Rozglokn rengd und Schnupftabak schneibd / wan a nackada Schuilera Gummibeala schbeibd / na is boid soweid, na is boid soweid." Untergangsgemütlichkeit, die eine neue Lust auf Lebensverdruss hervorruft, ein vergnügtes Suhlen in Nihilismus und Depression: "I woas ned wose doa soi / i hob neamads dea me mog / i hogg blos rum / und schaug recht bläd / und deng an ganzn Dog: / wane hi waar des daad koam wos / wane hi waar waare hi."
Die Fotographien des Booklets zeigen die Musiker von hinten und dass Bier im Spiel war im Proberaum, wo Musik produziert wurde in der reinen und ursprünglichen Form des Proberaumzusammenspiels: dem Blues-Jam. Zum Pressen auf CD wurden keine komplizierten neuzeitlichen Studiotricks angewendet, weshalb das Ergebnis recht unverfroren charmant nach Demo-Cassette klingt und trotzdem so, als ob die Herren sehr genau wüssten, was sie da tun. Das soll ehrlich sein und das Gegenteil von artifiziell. Darauf kann man sich einlassen, auch wenn es nicht sein müsste.
Wenn einer sich im Dialekt ausdrückt, verzichtet er freiwillig auf eine Menge abstrakter Begriffe, die hier schlicht nicht swingen, dann muss er die Welt irgendwo in seinen Bildern erklären und unterbringen. Dann muss er es ungefähr folgendermaßen sagen, wenn er meint, dass das Individuum isoliert ist in seiner Umwelt, der Mensch seine Abhängigkeit vom Rudel gegen eine intakte Infrastruktur getauscht hat, in der es langt zum Überleben, einer anonymen Fleischereifachverkäuferin Euro für Wurst in die kalte Hand zu drücken. Wenn einer das meint, dann klingt das so: "Am Bahnhof is wia ausgschdoam / heid fard koa Zug mea duach / blos a lezde Stroafa / wea woas noch wos de suachd / finden deans fast nix / blos an Penna dea wo wixd / grod wias am Schensdn is. / Da Büagamoasda Schiebal / schnarchd newa seina Frau / de ligd danem und woand fo Wuad / und weisase ned draud." - Diese Beschreibung einer Kleinstadtnacht stößt in die unmittelbare Nähe Oskar Maria Grafs. Mehr muss man eine CD mit bayerischer Musik nicht loben.
Sparifankal DAHOAM IS WO ANDAS, Schneeball Records 2004

Willibald Spatz
12. Februar 2005

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