Ein komischer Kerl
Spider

Ein komischer Kerl, der aus dem Zug steigt und sich verloren auf den Weg macht durch Londons traurige Straßen zu den Orten seiner Kindheit. Alles noch mal erleben im kaputten Kopf. Da war nämlich was in seiner Vergangenheit, das hatte mit seiner Mutter und seinem Vater zu tun. Still sitzt der alte Mann nun neben den Szenen, in denen die Mutter ihm als Kind zu essen gibt und der Sohn seinen Vater aus der Kneipe holt. Die Kneipe mit den Damen und dem Bierrauch in der Luft. Er sieht den Jungen - sich - weinen, auf einem Kartoffelfeld liegen, die Erde zärtlich streicheln und sieht den Vater ihn nach Hause holen, wo die neue Frau ist anstelle der Mutter.
David Cronenberg nimmt mit auf eine intime Reise ins Innere eines Mannes, den Ralph Fiennes akribisch darstellt, der einem fern bleibt, obwohl der Blick auf die Welt durch ihn erfolgt. Ein Eigenartiger, der wenig redet, viel schaut und nicht handeln kann oder will, wie's normal erschiene. So erzeugt der Film eine Atmosphäre langsamer Kühle, eigentlich unangenehm, ohne Identifikationspunkt, aber faszinierend durch die durch die Leinwand fast physisch fühlbare Dichte.
Cronenberg lässt den alten Spider selten lange allein ohne den jungen auftauchen zu lassen. Das ist ein Effekt Verfremdung, der überraschend stark wirkt, dieselbe Person zwei Mal auf der Bühne, es fallen einem wenig Beispiele aus dem Film ein, einige vom Theater. Dieser einfache inszenatorische Einfalls übt eine starke Wirkung aus.
Der Film handelt von der Aufarbeitung eines traumatischen Kindheitserlebnisses, die am Ende keine Erlösung, keine Versöhnung bringt. Daran ist nichts Verwunderliches, denn zu selbstverständlich schon erscheint die stille, vielleicht auch zufriedene Resignation Spiders. Kein Trost findet sich in diesem Film, aber er fehlt nicht, wird auch nicht vermisst.

START: 10.Juni 2004

Willibald Spatz
23. Juni 2004

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