Kawumm!
Gegen die Wand

Bewegt bleibt man sitzen, nachdem sich dieser Film vor einem erhoben hat. Gewinner der Berlinale, von der Bildzeitung ungewöhnlich beworben. Es ist ein seltener Film, nur alle paar Jahre so einer, gerade in Deutschland, einer, der still macht, still und glücklich und doch weinen lässt. Über die Menschen, dass gar nichts mehr läuft zwischen ihnen.
Seinen Titel bezieht er von Cahit, der am Anfang sein Auto an die Wand fährt, weil er nicht mehr will, weil Wollen selbst keinen Sinn mehr hat. In der Klinik lernt er Sibel kennen, die ebenfalls einen Selbstmordversuch hinter sich hat, weil sie so dachte, der Umklammerung ihrer türkischen Familie zu entkommen. Gemeinsam kämen sie raus, indem er sie heiratet. Dann darf sie weg von ihrer Familie. Er versucht es, dieses fremde Element in seine dreckige Wohnung aufzunehmen und tatsächlich scheint sich ein Märchen zu entwickeln: Aus der Zweckehe wird so eine Art Liebe, er fasst Fuß im Alkohol- und Drogensumpf und sie lässt den Spaß, jeden Abend einen anderen Mann zu haben.
Wo jeder andere jetzt aufgehört hätte, fängt Fatih Akin erst an. Hier beginnt die Tragödie, indem doch noch nicht alles in Ordnung ist. Cahit erschlägt aus Eifersucht einen ehemaligen Liebhaber von Sibel. Aus der Hoffnung, die bis dahin aufgebaut wurde und die dann zertrümmert wird, zieht der Film seine Wucht. Jedes Stück Geborgenheit ist zerbrechlich, die Angst um die Figuren, sie nie allein lassen zu wollen, ist das vorherrschende Gefühl. Die schaffen es nicht mit ihrem Leben. Kleinigkeiten können plötzlich reißen. Wann hat man zum letzten Mal beinahe geweint, als ein kleiner Mann einem anderen ein Bündel Scheine über den Tisch in einer Kebabbude schiebt? Gespartes Geld für den Freund, der Flug nach Istanbul, die verlorene Frau zu suchen. Und der andere steht auf und geht nicht raus, sondern umarmt seinen Freund.
Ohne Zweifel machen die Hauptdarsteller Birol Ünel und Sibel Kekilli viel aus, ihr desperates Spiel, das nie unnatürlich wirkt. Aber das Packende ist diese tief empfundene Einsamkeit im nebeneinander von Menschen, die Akin perfekt abzubilden weiß, die man gewaltsam abschütteln muss, will man dem Kinosaal unverändert den Rücken kehren.

Kinostart: 11. März 2004

Willibald Spatz
3. März 2004

mehr Kritiken